Diabetes mellitus
Wenn wir im Zusammenhang mit Ernährung das Stichwort „Diabetesverhinderung“ ins Spiel bringen, ist immer der sogenannte Typ 2 der Zuckerkrankheit gemeint (früher fälschlicherweise „Alterszucker“ genannt). Beide Typen haben vollkommen unterschiedliche Entstehungs- und Verlaufsformen. Der Typ 1 ist einfacher zu behandeln, aber unangenehmer (wegen der täglich mehrfachen Blutzuckerkontrollen und Injektionen), während der Typ 2 oft unterbewertet wird und sich jeden geringsten Diätverstoß langfristig „merkt“. Für Diabetiker besonders wichtig sind nicht nur die Broteinheiten (BE)*, sondern auch die Energiewerte und der Fettanteil (da Fett leichter „ansetzt“ und über Glyzerin in Glukose verstoffwechselt werden kann).
Um zu dokumentieren, dass Lebensmittel-Nährwertgehalte (also auch die der Kohlenhydrate) ständigen Schwankungen unterworfen sind, bekommen Diabetiker (nicht nur bei uns) gerundete BE-Werte: Die meisten BE-Werte sind auf den nächstliegenden Integerwert oder der entsprechenden halben Zwischenstufe gerundet (z. B. 1,0 bei 10 Gramm Kohlenhydraten [statt 0,83 BE] oder 1,5 bei 20 Gramm Kohlenhydraten [statt 1,7 BE]), was sich für geschulte Diabetiker auch leichter rechnen lässt. Da bei insulinpflichtigen Diabetikern Zielwerte kaum unter 120 liegen, ist dadurch auch bei Mahlzeiten aus nur aufgerundeten oder nur abgerundeten Lebensmitteln keine gefährliche Unter- oder Überzuckerung zu erwarten.
Natürliche Lebensmittel sind außerdem generell nicht standardisiert auf irgendwelche Werte oder standardisierbar: Es handelt sich immer „nur“ um Näherungs- bzw. Mittelwerte…
Diabetes mellitus Typ 1
Der Diabetes Typ 1 entsteht oft aufgrund einer Autoimmunkrankheit, bei der Antikörper die insulinproduzierenden Zellen (oder einen Großteil davon) in der Bauchspeicheldrüse vernichten; im Gespräch als Auslöser sind jedoch noch Viren (u. a. Zytomegalie-Virus) oder Prionen, welche ebenfalls die relevanten Bauchspeicheldrüsenfunktionen ausschalten können.
Dieser Typ eines Diabetes wird erst klar erkennbar, wenn über 90 % der insulinproduzierenden Zellen vernichtet sind. Im Endstadium wird kein Insulin mehr oder nur ganz wenig davon gebildet und muss von Anfang an zugeführt werden, da ein „absoluter Insulinmangel“ herrscht.
Der Anteil der Typ-1-Diabetiker liegt bei etwa 10 % von allen Diabetikern.
Diabetes mellitus Typ 2
Die Bauchspeicheldrüse kann zwar beim Diabetes Typ 2 noch genügend Insulin produzieren, doch durch blockierte Insulinrezeptoren an den Körperzell-Membranen kann nicht mehr schnell genug Glukose in die Zellen geschleust werden, so dass sich im Blut ein „Rückstau“ an Zucker bildet.
Das Phänomen der blockierten Insulinrezeptoren nennt man auch „Insulin-Resistenz“ oder „relativer Insulinmangel“. Etwa 30 % der Typ-2-Diabetiker können ihren erhöhten Blutzucker allein durch Ernährung und Bewegung fast wieder in Normal-Bereiche bekommen. Nur 40 % (meist „Altdiabetiker“ und Diabetiker, die von Diät nur wenig halten) spritzen sich regelmäßig Insulin. Die Typ-2-Diabetiker machen etwa 90 % aller Diabetiker aus – dennoch hat der Typ 1 eine größere Lobby.
Ein Vergleich
Da bisweilen noch nicht einmal Fachleute die unterschiedlichen Entstehungsgeschichten der Typen 1 und 2 und nur das Ergebnis (den erhöhten Blutzuckerwert) sehen, habe ich in einem Seminar einmal folgenden Vergleich konstruiert:
Stellen wir uns ein Turnierpferd (das Insulin) vor, welches immer wieder über eine niedrige Hürde (die Insulinresistenz, der Insulin-Widerstand) springen muss.
Beim Typ 1 wäre die Hürde leicht zu überwinden, jedoch ist das Pferd tot umgefallen – vielleicht durch eine Virusinfektion. Es muss nun von außen ein „künstliches Pferd“ (= Insulin) zugeführt werden.
Beim Typ 2 ist das Pferd kräftig und putzmunter. Die Hürde wächst jedoch stetig, so dass unser Pferd immer mehr Kraft zum Übersprung benötigt, sich Blessuren holt und schließlich den Erschöpfungstod stirbt. Es muss jetzt auch hier von außen ein „Hilfspferd“ (= Insulin) zugeführt werden, jedoch ein ungleich kräftigeres als bei Typ 1. – Man sollte das „Hürdenwachstum“ (= die Insulin-Resistenz) also rechtzeitig verlangsamen oder stoppen, z. B. durch Körperbewegung und Eindämmung der „Insulinlockung“.
Worauf kommt's an?
Vereinfacht gesagt: Beide Diabetiker-Gruppen sollten sich so gut wie möglich an eine vernünftige Diät halten, die schnell verstoffwechselbare Kohlenhydrate ganz meidet.
Während die BE (Broteinheiten* – 1 Broteinheit enthält etwa 12 Gramm Kohlenhydrate, nach anderer strengerer Auffassung etwa 10 Gramm Kohlenhydrate) beim Typ-1-Diabetiker praktisch in jeder Höhe durch Insulin folgenärmer auszugleichen sind, sollten beim Typ-2-Diabetiker Kohlenhydrate eingespart werden, weil normalerweise nur diese für die Ausschüttung von Insulin verantwortlich sind. Beim Typ 2 wird eine viel höhere Menge Insulin ausgeschüttet, da damit der Widerstand der Insulin-Resistenz überwunden werden muss. – Danach ist aber noch viel freies Insulin vorhanden, das nun seinen weiteren Aufgaben übermäßig nachkommt, nämlich Fett zu speichern und Mineralstoffe festzuhalten – oft ungenutzt an Aderwänden.
„Diabetiker-Süße“ („Zuckeraustauschstoffe“: Fruktose, Sorbit, Xylit, Mannit, Laktit, Maltit oder Isomalt bzw. Palatinit) hat meist praktisch dieselbe Kohlenhydratkonzentation wie Haushaltzucker, benötigt aber viel mehr Zeit, um abgebaut und in Glukose verstoffwechselt zu werden. Daher ist das meist eher für Typ-1-Diabetiker geeignet.
„Praktisch dieselbe Kohlenhydratkonzentation“ bedeutet bei den Zuckeralkoholen Sorbit usw., dass rein rechnerisch keine Kohlenhydrate enthalten sind, praktisch jedoch (in Bonbons usw.) immer ein Kohlenydratäquivalent angegeben ist. Außerdem wurde den Zuckeralkoholen ein EU-politischer Kaloriengehalt von 240 kcal pro 100 Gamm verordnet; der tatsächliche Nährwert liegt allerdings lt. einer Neuform®-Tabelle bei 400 kcal (=100 Gramm Kohlenhydraten) pro 100 Gamm. Wir lehnen uns hier an „praktisch…“ an, mit einer kleinen Verbeugung in Richtung EU.
Will jedoch der Typ-2-Diabetiker auf Süßungsmittel zugeifen, sollte er sich an „Zuckerersatzstoffe“ (Süßstoffe wie Natrium-Cyclamat, Saccharin, Aspartam, Acesulfam-K, Neohesperidin DC, Sucralose, Steviolglykoside oder Thaumatin) halten. Sie sind alle kohlenhydratfrei (sofern nicht in einer kohlenhydrathaltigen Zubereitung wie Aspartam-Streusüße), müssen nicht in den Diätplan eingerechnet werden und locken – in normaler Konzentation – kein Insulin (Süßstoffe sind sehr viel süßer schmeckend als eine vergleichbare Menge Haushaltszucker). Diese Liste hilft Ihnen sicher weiter.
Achtung! Bei den Low-Carb-Anhängern (die sich ja ähnlich wie Diabetiker ernähren) wird oft behauptet, dass die oben erwähnten Zuckeraustauschstoffe der Polyole (hier: Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit, Maltitol-Sirup, Lactit, Xylit und Erythrit) als Kohlenhydratspeicher zu vernachlässigen seien, da sie kein Insulin zum Abbau benötigen. Das stimmt für den Diabetiker nur auf den ersten Blick, denn Polyole bzw. Zuckeralkohole werden in Fruchtzucker verstoffwechselt und benötigen dann Insulin zum Abbau…